Im Schatten der Pyramiden erbaut Ägypten mit japanischer Beteiligung ein Mega-Museum. Im Rahmen eines Softopenings bekommt man einen ersten Eindruck, was die Besucher im Grand Egyptian Museum erwartet.
von Susanne Mauthner-Weber
Mario kann sich noch gut daran erinnern, dass die riesige Statue ganz in der Nähe seiner Wohnung gestanden ist.
Mehr als dreitausend Jahre alt ist das Ebenbild von Ramses II., stammt ursprünglich aus einem Steinbruch in Assuan und zierte jahrzehntelang den Vorplatz des Kairoer Hauptbahnhofs.
Heute dominiert es das Atrium des Grand Egyptian Museum (GEM) im Schatten der Pyramiden.
„Grand“ ist hier wirklich alles, wie sich KURIER ReiseGenuss vergangene Woche überzeugen konnte. Das GEM ist nach zwei Jahrzehnten Bauzeit zwar noch immer nicht offiziell eröffnet. Allerdings hat sich das Antikenministerium entschlossen, im Rahmen eines Softopenings erste Einblicke in das weltgrößte Archäologiemuseum zu gewähren.
Womit wir wieder bei Mario wären. Der junge Mann ist trotz seines Namens – er wurde nach Supermario benannt, erzählt er – Ägypter und hat die Aufgabe, die ersten Besucher im GEM herumzuführen. Wobei: Das, was man vorerst zu sehen bekommt, ist nur ein Vorgeschmack. Das Herzstück, die Präsentation des kompletten Schatzes des Tutanchamun, wird nicht gezeigt. Auch alle anderen Ausstellungsräume bleiben vorerst tabu. Im Grunde genommen darf man nur die beeindruckende Fassade, den architektonisch grandiosen Eingangsbereich und die Shoppingmall besichtigen.
Doch das zahlt sich durchaus aus. Vor dem Museum begrüßt der Hängende Obelisk die Besucher, der Trakt rechter Hand gehört der Sonnebarke des Cheops, die bis vor Kurzem in einem Museum bei den Pyramiden ausgestellt war. Nach der Eröffnung wird man live beobachten können, wie ein Zwilling der Barke renoviert wird.
Im Atrium, wo Stein, Glas, Metall und Wasser dominieren, setzt Mario zu einer Nachhilfestunde in Sachen Ramses II. an, erzählt von dessen mehr als hundert Kindern, der sechsundsechzig Jahre währenden Regierungszeit und von seinen zwanzig Namen, die an der Rückseite der Statue eingraviert sind. „Er hatte ein großes Ego“, kommentiert Mario. Um dann auf die Hieroglyphen zu zeigen, die den Eingang einrahmen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man an einer Stelle ein kleines Loch.
Nein, das sei kein Konstruktionsfehler, sondern wohldurchdacht, berichtet der junge Ägypter. Er lädt die ersten Besucher des GEM zu einer Reise im Kopf nach Abu Simbel ein. Der wohl bekannteste Tempel am südlichsten Ende des Landes am Nassersee wurde von Ramses erbaut und ist für sein Sonnenwunder bekannt: Zweimal im Jahr beleuchtet die Sonne drei von vier Statuen tief im Inneren des Heiligtums. Mario: „Am 21. Februar und am 21. Oktober. Der eine Tag ist der Geburtstag von Ramses dem Großen, der andere markiert seine Thronbesteigung. Und hier im Grand Egyptian Museum hat man das Phänomen nachgestellt. Dann wird das Sonnenlicht genau auf den größten aller Pharaonen fallen.“
Das nächste Mal wird das also am 21. Oktober passieren. Mit etwas Glück könnte dieser Tag mit der tatsächlichen Eröffnung des Museums zusammenfallen, denn wenn man Mario fragt, wann das nun endlich passieren wird, meint er mit einem optimistischen Lächeln: „In einem halben Jahr. Inschallah (hoffentlich; wörtlich: so Gott will)“.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des KURIER, in dem dieser Artikel in der Ausgabe vom 19.03.23 bereits erschien.